Die Bürger als Partner ernst nehmen

Politik braucht Visionen. Aber immer wieder neue Begriffe verwirren gestandene Kommunalpolitiker. Nun also soll die Vision »Nachhaltige Bürgerkommune« heißen? Im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluierung über die Lokale Agenda 21 in Bayern konnte Prof. Dr. Holger Magel von der TU München nämlich feststellen, dass die bisher getrennt diskutierten und behandelten Themen Nachhaltigkeit, Bürgergesellschaft und Kommunale Agenda 21 untrennbar zusammengehören und zusammengeführt werden müssen. Die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung veranstaltete deshalb Ende Januar in Kooperation mit dem Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz ein Expertenhearing zur »Nachhaltige Bürgerkommune«, dessen Ziel die Integration der Lokalen Agenda 21 mit dem wichtigen Prinzip des Dialogs und der Nachhaltigkeit in das Leitbild Bürgerkommune sein sollte.

Die besondere Qualität der Bürgerkommune liegt in der Neugestaltung des Kräftedreiecks zwischen Bürgern, Kommunalvertretung und Verwaltung. Es geht um die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und der Bürgerorientierung und damit um die Ergänzung repräsentativer Entscheidungsformen. Viele Kommunen befinden sich wohl immer noch in dem Übergang zur Dienstleistungskommune. Dabei besteht die Gefahr, dass eine zu starke Betonung des Aspekts der Dienstleistung das Engagement der Bürgerschaft u. U. sogar erschwert, da der Bürger sich dabei leicht und mancher auch gern als reiner Konsument, weniger als Mitgestalter des Gemeinwesens, Produzent sozialer Leistungen und Partner in Rechten und Pflichten begreifen kann. Dienstleistungskommune kommt dem Zeitgeist mit Anspruchsdenken gut entgegen, Bürgerkommune nimmt den Bürger als Partner in seiner Mitverantwortung ernst.

Die Agenda-Arbeit hat ohne Zweifel auch über die 30 % der beteiligten bayerischen Kommunen hinaus für einen großen Schub bei Bürgerbeteiligung und Mitwirkung gesorgt. Dieses Kapital für die Kommunalpolitik darf aus zum Teil berechtigten Frustrationen oder Ermüdungserscheinungen heraus nicht verspielt werden.

Je knapper die finanziellen und personellen Ressourcen werden, desto wichtiger wird das Setzen von Schwerpunkten, das Ausdenken von Strategien, ein Abwägen von Kosten und Nutzen im Dialog mit der Bürgerschaft und damit das Prinzip der Nachhaltigkeit. Alois Glück bezeichnet Nachhaltigkeit als einen ursprünglichen Wert konservativen Denkens, das sich heute mehr als bisher auf die Zukunftsverantwortung richtet. Wenn auch der derzeitige offenkundige Geldmangel keine hinreichende Begründung für eine Zukunftsstrategie, Bürger aktiver zu beteiligen, sein kann, dann soll Geldmangel erst recht nicht zum Hinderungsgrund für eine nachhaltige Bürgerkommune werden.

Wir müssen schon deshalb neue Beteiligungsformen suchen und den Dialog mit der aktiven Bürgerschaft pflegen, weil wir uns nicht zufrieden geben können mit Wahlbeteiligungen bei OB- und Bürgermeisterwahlen von unter 50 %. Eine Kommune, die sich der Agenda 21 verpflichtet fühlt, sorgt aber auch dafür, dass der Nutzen kommunaler Leistungen und Angebote nachhaltig ist. Ich meine, wir können deshalb mit dem Begriff »Nachhaltige Bürgerkommune« besser als bisher mit den getrennten Bereichen Agenda oder aktive Bürgergesellschaft verdeutlichen, dass Nachhaltigkeit alle Bereiche der Kommunalpolitik umfasst. Kommunalpolitik darf nicht wie derzeit vor allem die Bundespolitik auf schnelle und kurzfristige Aktionen und Aktionismus aus sein. Um ihrer noch hohen Glaubwürdigkeit willen darf sie sich auch im Tagesgeschäft möglichst wenig gegen die Nachhaltigkeit versündigen. Zudem ist der Dialog über die Zukunft einer Kommune zwischen den Entscheidern auf der einen und Bürgern, Vereinen und Wirtschaft auf der anderen Seite an sich eine Daueraufgabe in einer Demokratie vor Ort. Nachhaltiges Handeln im Dialog bleibt damit zentrales Anliegen moderner Kommunalpolitik.

Maximilian Gaul

Bayerische Gemeindezeitung vom 12.02.2004 S. 3

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