Alfred Steinheimer

Die Pfarrkirche St. Laurentius in Roßtal

St.-Laurentius-Kirche

Die frühe urkundliche Nennung unseres Ortes – der Mönch Widukind aus dem Kloster Corvey an der Weser beschreibt eine Schlacht, die hier im Jahre 954 stattfand – läßt vermuten, daß zu dieser Zeit, nach mehr als zwei Jahrhunderten abgeschlossener Missionierung des Frankenlandes, bereits eine Kirche gestanden hat.

Von einem Vorgängerbau sind, bis auf die frühromanische Krypta die um das Jahr 1020 entstanden sein könnte, nur geringe Spuren bei Grabarbeiten auf dem Friedhof entdeckt worden.

Als Stifterin der Kirche, von der nur die schon genannte Krypta auf uns gekommen ist, gilt eine Gräfin Irmingard, die, als Lokalheilige verehrt, ihre letzte Ruhestätte in der Kirche fand.

Obwohl der Ort kirchlich dem Bistum Würzburg zugeordnet war, lag das Besetzungsrecht für die Pfarrei bis zur Reformation beim Bischof von Bamberg.

Das mächtige Bauwerk, das sich heute dem Besucher bietet, zeigt deutlich verschiedene Stilepochen. Das Langhaus, das zum Teil noch romanische Fenster besitzt, dürfte aus der Zeit des 12./13. Jahrhunderts stammen. Da im Städtekrieg 1388 nicht nur der Ort, sondern auch die Kirche größere Schäden erlitt, wurde in der Folge des Wiederaufbaues der Turm im frühen 15. Jahrhundert und der Chor noch einige Jahrzehnte später errichtet und somit der Charakter des ursprünglich romanischen Kirchenbaus verändert; dazu tragen auch die um diese Zeit und noch später geschaffenen Portale und Fenster bei. Beschreibungen aus dem 16. Jahrhundert schildern die Kirche als überaus reich mit kostbaren Altären ausgestattet und erwähnen auch das Grabmal der Stifterin, der Gräfin Irmingard, die eine Schwägerin der Kaiserin Kunigunde war, sowie das eines Herzog Ernst, der, vermutlich als einer der Verteidiger Roßtals in der o. g. Schlacht von 954, später hier bestattet war.

Altäre und Grabmäler wurden durch einen Blitzschlag 1627, der mit anschließendem Brand das gesamte Gewölbe des Langhauses zum Einsturz brachte, vernichtet; das Chorgewölbe und das Turmbauwerk blieben weitgehend erhalten.

Das Langhaus, dessen Wände beim Wiederaufbau an der Außenseite mit Strebepfeilern versehen werden mußten, erhielt das heute noch bestehende Tonnengewölbe aus einer Holzkonstruktion.

Mehrfache Blitzschläge und Stürme führten dazu, daß das spitze Kirchturmdach mit den vier weiteren kleinen Türmchen, Pfefferbüchsen genannt, im Jahre 1769 abgetragen und durch eine „welsche Haube“ ersetzt wurde.

Der Turm mit einer Höhe von 52 m zeigt auf der Südseite oberhalb der Spitze des gotischen Fensters einen Fries mit Köpfen verziert, wobei ein Frauenkopf auffällt, der als jener der Nürnberger Burggräfin Elisabeth angesehen wird. Sie war die Gattin des Burggrafen Friedrich VI., der 1415 als Friedrich I. zum Kurfürst der Mark Brandenburg ernannt wurde. Die genannte Burggräfin (1401–1442), deren Wappen an der Südseite des Turmes zu sehen ist, hat damit wahrscheinlich dokumentiert, daß mit ihrer Hilfe die zerstörte Kirche nach 1388 wieder aufgebaut wurde.

Roßtal, das als eine der Urpfarreien gilt, umfaßte noch im Jahre 1735 ein Pfarrgebiet, zu dem 32 Ortschaften gehörten; heute zählen noch 16 Ortschaften bzw. Ortsteile zur Pfarrei.

Das Innere des geräumigen Bauwerks zeigt sich heute in schlichter Würde. Dem Besucher fällt die doppelgeschossige Empore längs der Nordseite des Langhauses auf; sie läßt die erweiterte Funktion des Kirchenraumes zur Predigerkirche nach der Reformation erkennen. Der untere, dem Chor nächstliegende Teil der Empore ist als „Herrschaftstand“ gezeichnet und trägt in der Reihenfolge von links nach rechts das Hohenzollernwappen, den Brandenburger Adler, das Wittelsbacher Wappen – das die Burggräfin Elisabeth einbrachte – sowie das Wappen des Burggrafen von Nürnberg.

Der Altar im Chor, der dem 17. Jahrhundert zugeordnet wird, zeigt unter dem Kreuz Maria und Johannes, an der Predella, dem Sockel des Altaraufsatzes, ist eine Abendmahlszene dargestellt und die Rückseite zeigt eine Abbildung des von Engeln gehaltenen Schweißtuches der Veronika.

Die moderne, aus dem Jahre 1963 stammende farbige Verglasung von drei Chorfenstern schuf der Künstler Gottfried von Stockhausen, Esslingen.

Die Bilder zeigen von links nach rechts: Die Anbetung der Hirten, den „offenen Himmel“ mit den himmlischen Heerscharen und die Wurzel Jesse. Das Fenster in der Mitte stellt die Grablegung Christi dar und die Verkündigung der Auferstehung durch die Engel am Grabe. Im rechten Glasfenster sieht der Beschauer die Taufe Jesu und über dem offenen Himmel die Christussymbole Kelch und Lamm.

Den Chor ziert weiter eine Skulptur des Hl. Laurentius aus dem 15. Jahrhundert. Am Chorbogen ist der Abguß einer Madonnenfigur mit Kind zu sehen, deren Original aus der Pfarrkirche hier stammt und 1879 in das Germanische Museum nach Nürnberg kam. Das Thema der Darstellung ist die Krönung Mariens; das Jesukind (dessen Kopf verlorenging) setzt seiner Mutter die Krone auf das Haupt. Das Original wird um das Jahr 1300/20 datiert.

Unter den in der Chorwand eingelassenen Epitaphien ist das des letzten katholischen Geistlichen Johannes Neff († 1512) sowie das des ersten evangelischen Pfarrers Johann Lazarus († 1546) zu finden.

Zwischen den Rippen des Kreuzgewölbes sind die vier Evangelisten dargestellt, die der Nürnberger Egidius Zimmermann 1624 fertigte.

Der Taufstein, der, nach Kirchenrechnungen, im Jahre 1520 geschaffen wurde, erhielt erst 1630 die mehrfarbige Bemalung und trägt außerdem einen Hinweis auf eine Renovierung aus dem Jahre 1686.

Wuchtig wirkend, aber ohne große Zier, zeigt sich der vermutlich aus dem 17. Jahrhundert stammende dreisitzige Chorstuhl.

Da bei dem verheerenden Brand von 1627 der Chor vor dem Einsturz bewahrt blieb, blieb auch die zur Sakristei führende, mit Blechplatten beschlagenen Tür noch aus der Errichtungszeit des Chores, etwa Mitte des 15. Jahrhunderts, erhalten; ebenso ein kostbarer Schrank in der Sakristei, der um 1500 gefertigt wurde.

Über der Sakristeitür zeigt sich dem Besucher ein Gemälde, dessen Bedeutung, offenbar bedingt durch seinen ungünstigen Platz, auch von Fachleuten erst spät gewürdigt wurde. Das Gemälde stammt aus dem Jahre 1524 und wird dem Nürnberger Dürerschüler Hans Springinklee zugeschrieben. Der Kunsthistoriker Josef Dettenthaler hat in einer Veröffentlichung – auch nachzulesen in Heft 15/1987 der „Roßtaler Heimatblätter“ – eine umfängliche Deutung dieses „Bekenntnisbildes“ gebracht und vermerkt, daß es sich hier um eine der frühesten antithetischen Komposition über „Gesetz und Gnade“ auf dem Gebiete der Malerei handelt.

Auf ein weiteres Gemälde sei hingewiesen, das an der Südwand des Langhauses unweit der Kanzel zu sehen ist. Es handelt sich hier um ein sogenanntes „Konfessionsbild“, wobei im Zentrum der Darstellung ein Kreuzaltar steht, an dem Luther und Melanchthon das Abendmahl an die protestantischen Reichsfürsten und an Vertreter der Reichsstädte austeilen. Die zentrale Darstellung wird umrahmt von Einzelszenen des evang.-luth. Gottesdienstes. Das Bild ist mit einem Stifterwappen und den Buchstaben HB bezeichnet und trägt die Jahreszahl 1659. Der Künstler ist nicht bekannt. Das Bildthema ähnelt allerdings sehr zweier Werke des Nürnberger Malers Andreas Herneisen (1538–1610), die sich in den Kirchen in Nürnberg-Mögeldorf und in Kasendorf bei Kulmbach befinden.

Über dem Gitterstuhl aus dem späten 18. Jahrhundert ist ein weiteres, in reich geschnitztem Rahmen gefaßtes Gemälde, ein Epitaph eines 1693 verstorbenen Christoph Schwarz, die Auferstehung Christi zeigend, zu sehen.

Die Kanzel, die, besonders was den Schalldeckel betrifft, Zierelemente des 18. Jahrhunderts erkennen läßt, trägt am Korpus Blumenstücke und Abbildungen aus der biblischen Geschichte wie: Moses auf dem Berge Sinai, die Arche Noah und die Taufe Jesu im Jordan. Die Kanzel ruht auf einer Konsole, die das Wappen des Stifters, des Kastners Johann Beck aus Cadolzburg, trägt.

Wie die Glasfenster in ihrer Buntheit und zeitgenössischer Darstellungsweise, so fällt dem Besucher auch der von Prof. Franz Ricker, München im Jahre 1955 geschaffene Kronleuchter auf. Er stellt das zwölftorige Jerusalem mit dem erhöhten Lamme dar. Der Leuchter gilt als ein gelungenes Werk moderner Kirchenkunst und war bereits anläßlich von Kirchentagen in Frankfurt (1956) und Nürnberg (1979) ausgestellt.

Die Kirche erhielt im Jahre 1973 eine neue Orgel (28 Register), eingerichtet von der E. F. Walcker u. Co. Ludwigsburg.

Grossansicht in neuem Fenster: St.-Laurentius-Kirche Krypta 

Ein Schild weist den Weg zur Krypta, dem ältesten Teil der Kirche. Über einige ausgetretene Stufen gelangt der Besucher in einen Raum, dessen Breite dem darüberliegenden Kirchenschiff mit ca. 12 m entspricht und dessen Länge ca. 10 m beträgt. Das Bauwerk zählt zu den ältesten in Franken.

12 Pfeiler tragen die Decke, ein Tonnengewölbe mit Stichkappen. Der Bau dieser Hallenkrypta wird der Stifterin der Kirche, der Pfalzgräfin Irmingard, zugeschrieben und soll um das Jahr 1020 entstanden sein.

Die Ostwand besaß ursprünglich drei Apsiden, von denen nur die in der Mitte noch besteht, die den Altar aufnimmt; die beiden Apsiden links und rechts wurden aus statischen Gründen zugemauert, als man den spätgotischen Chor darüber errichtete. Die Nische in der Westwand war einst offen und gab den Wallfahrern den Blick frei auf das Grab der Stifterin, die als Heilige verehrt wurde. Ihr Grab, nach zeitgenössischen Berichten ein gotisches Hochgrab wie das des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde im Bamberger Dom, befand sich im Langhaus kurz vor den Treppenstufen, die zum ehemals romanischen Chor führten. (Der Chor der romanischen Kirche endete dort, wo später der gotische Chor angebaut wurde.)

Eine urkundlich gesicherte Datierung der Krypta existiert nicht. Kunsthistoriker verweisen indes auf bautechnische Ähnlichkeiten der Krypta von Roßtal mit der unter dem Pfarrhaus von Unterregenbach an der Jagst und den Resten einer solchen in Bleurville in Lothringen. Die Bauzeiten der beiden letztgenannten werden mit einiger Gewißheit um das Jahr 1030 angesetzt.

Verläßt der Besucher Krypta und Kirche zu einem Rundgang um das Gotteshaus, so fällt sein Blick auf das spätgotische Pfarrhaus, das im Jahre 1410 genannt, ein Bollwerk der ehemaligen Wehranlage darstellte. Von der Mächtigkeit dieser Anlage, die mit der Kirche als Mittelpunkt den Bereich des heutigen Friedhofes schützte, geben besonders am genannten Pfarrhaus und am nördlichen Torturm die Höhe der ehemaligen Wehrgänge Zeugnis.

St.-Laurentius-Kirche Ölberg 

An der Ostwand des Chores sieht der Besucher einen um 1500 angebauten „Ölberg“ mit kaum noch zu erkennender Bemalung an der Rückwand und an den beiden Streben. Auffallend sind, besonders an der südlichen Außenwand des Chores, die zahlreichen Wetzrillen. Eine der Deutungen hierfür geht dahin, daß, vor der Reformation, in der Osternacht mit Hilfe von Holzstäben oder ähnlichem, gerieben an der Sandsteinwand, Glut für die Entzündung des Osterfeuers erzeugt wurde.

An den Wänden des Langhauses sind eine Reihe von Grabdenkmälern u. a. von ehemaligen Pfarrern zu sehen, ebenso einige Jahreszahlen, die von stattgefundenen Renovierungen oder baulichen Änderungen künden.

An der Nordwand unweit des im Jahre 1893 angelegten Portals ist in der Hohlkehle des Traufgesims ein Stein mit einer fratzenhaften Abbildung eingemauert, der wahrscheinlich von einem Vorgängerbau der Kirche stammt.

Der Rundgang durch und um die Kirche soll damit beendet sein.

Die kurze Beschreibung kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit historischer und kunstgeschichtlicher Gegebenheiten erheben, sie soll lediglich eine Hilfe für den aufmerksamen und interessierten Besucher darstellen.

Viele Jahrhunderte sind seit dem Bau der Kirche vergangen, manche Stürme und Schäden mußte sie ertragen, aber immer wieder wurde sie als religiöser Mittelpunkt des Ortes von opferbereiten Generationen aufgebaut und erhalten als würdige Stätte für Gebet und Lobgesang.

 

Quellen:

Archiv der Evang.-Luth. Pfarrei St. Laurentius, Roßtal

Literatur:

Adolf Rohn: „Heimatbuch von Roßtal und Umgebung“, Roßtal 1928

August Gebessler: „Stadt- und Landkreis Fürth“, Deutscher Kunstverlag München 1963

Georg Dehio: „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ Franken, Deutscher Kunstverlag München 1979

Josef Dettenthaler: „Das luth. Bekenntnisbild v. Roßtal“, Roßtaler Heimatblätter 15/1987

Dieter Koerber: „450 Jahre evang. Predigt in Roßtal“, 1975

siehe auch Helmut Mahr: Die heutige Kirche in Roßtal

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