Die Rolle der Kommunen in der Agenda 21

Die Stadt als Lebensraum und als Organisationsform gesellschaftlichen Lebens und Handelns nimmt gerade in einem Land wie der Bundesrepublik, wo mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Städten leben, für eine zukunftsfähige Entwicklung einen hohen Stellenwert ein.

 

Städtische Ballungsräume schaffen immense Umweltprobleme:

Luftverschmutzung, Müllnotstand, Wasserverbrauch und Gewässerverschmutzung, Lärm, Verkehrskollaps und Zersiedlung der Landschaft an den Stadträndern kennzeichnen die Probleme, mit denen Städte in wachsendem Maße konfrontiert sind.

 

Aber auch die ländliche Bevölkerung ist direkt an der Umweltbelastung beteiligt und von ihr betroffen.

 

So bieten ländliche Räume einerseits Platz für Erholung, andererseits ist die Landwirtschaft ein Hauptverursacher für die Verschmutzung von Grund- und Oberflächengewässern und für den Verlust der biologischen Vielfalt.

Die von BUND und Misereor in Auftrag gegebene Studie Zukunftsfähiges Deutschland schlußfolgert, daß „ohne eine umweltgerechte Entwicklung der Kommunen [...] eine zukunftsfähige Entwicklung der Gesellschaft nicht möglich sein wird“. Im Weltmaßstab wird deutlich, in welch hohem Maße unser Lebensstil die globalen Ressourcen stärker in Anspruch nimmt, als es fast alle anderen Völker tun. So könnte von der Energie, die ein Deutscher im statistischen Durchschnitt pro Jahr für sich beansprucht (174 Gigajoule), der Energieverbrauch von 17 Menschen aus Indien oder sogar 119 Menschen aus Tansania gedeckt werden. Wer das gleiche Recht auf Entwicklung für alle Menschen bejaht, kann diese Ungleichheit im Ressourcenverbrauch nicht hinnehmen. Unser Lebensstil ist nicht globalisierbar.

 

Aus dieser Erkenntnis heraus wurde ein Kapitel in die Agenda 21 aufgenommen, das die Kommunen auffordert, im Dialog mit ihren Bürgern und Bürgerinnen, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eine Lokale Agenda 21 zu beschließen. Kommunales Handeln in globaler Verantwortung ist das Leitmotiv des Kapitel 28 der Agenda 21. Die Städte und Gemeinden sollten einen entsprechenden Konsultationsprozeß bereits bis Ende 1996 abgeschlossen haben.

 

In Deutschland wurde dieser Zeitplan trotz wachsender Aktivitäten auf lokaler Ebene nicht annähernd erfüllt. Nach Angaben des Internationalen Rates für lokale Umweltinitiativen (ICLEI, International Council for Local Environmental Initiatives) hatten von den 16.121 deutschen Städten und Gemeinden bis Ende 1996 etwa 200, d.h. 1,2 Prozent, begonnen, eine Lokale Agenda 21 auszuarbeiten. Nach einer im Juni 1997 veröffentlichten Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) betrachteten aber im Frühjahr 97 immerhin 75 Prozent aller befragten Städte die Lokale Agenda 21 als ihre Aufgabe. Die Hälfte dieser Städte hat einen politischen Beschluß vorgelegt, der die Bedeutung der Lokalen Agenda untermauern soll. Zusätzliche Finanzmittel für die entstehenden Aufgaben wurden aber nur in 30 Städten zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wird deutlich, daß Deutschland - gemeinsam mit Frankreich und Österreich - bei der Einleitung einer Lokalen Agenda 21 und damit bei der Umsetzung der in Rio 1992 gefaßten Beschlüsse noch sehr weit zurückliegt. Nach einer Umfrage des Rates der Gemeinden und Regionen Europas in 14 europäischen Staaten liegt die Teilnahme in diesen Ländern bislang nur bei ca. 5 Prozent, während in den Niederlanden und Skandinavien der Prozeß schon viel weiter ist. So hat in Schweden beispielsweise nahezu jede Gemeinde einen eigenen Agenda-Beauftragten.

 

Es wäre völlig falsch, aus der (unverbindlichen) Fristsetzung der Agenda 21 den Schluß zu ziehen, für neue Initiativen auf kommunaler Ebene wäre es zu spät. Ganz im Gegenteil: Als Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert wird die Agenda 21 für die Städte und Gemeinden in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Dabei sollten sich die Initiativen vor Ort nicht damit begnügen, lediglich ein lokales Abziehbild der globalen Agenda 21 zu entwickeln. Die jeweilige Schwerpunktsetzung muß von den lokalen Gegebenheiten und den Interessen der beteiligten Bürger und Bürgerinnen abhängen. Vieles, was in der Agenda 21 steht, ist allzu ungenau und unverbindlich.

 

Ziel einer Lokalen Agenda 21 sollte es daher auch sein, die Beschlüsse von Rio zu präzisieren und damit wirkungsvoller zu machen.

 

Aus politischen Gründen wurde in Rio eine Reihe von Themen, die auch für die Kommunen relevant sind, gänzlich ausgeklammert. Dazu zählen z. B. die Möglichkeiten umweltfreundlicher Energiegewinnung oder die ökologische und soziale Verantwortung transnationaler Konzerne.

 

Auch die zunehmende Globalisierung mit all ihren Auswirkungen bis hinunter auf die lokale Ebene wurde in Rio noch nicht offen diskutiert. Eine Lokale Agenda 21 sollte sich auch mit den umwelt-, entwicklungs- und sozialpolitischen Tabuthemen der Rio-Konferenz beschäftigen. Schließlich sollte jede Lokale Agenda 21 die Ergebnisse der darauffolgenden Weltkonferenzen berücksichtigen. Dies gilt vor allem für die Aktionsprogramme des Weltsozialgipfels (März 1995, Kopenhagen), der Weltfrauenkonferenz (September 1995, Peking), der Weltsiedlungskonferenz HABITAT II (Juni 1996, Istanbul) und des Welternährungsgipfels (November 1996, Rom). Geschieht dies nicht, blieben wichtige Aspekte nachhaltiger Entwicklung in einer Lokalen Agenda 21 ausgeblendet.

 

Quelle: Forum Umwelt & Entwicklung: Lokale Agenda 21 - Ein Leitfaden, Bonn 1999

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